Ich würde gerne richtig gendern und ich würde mich auch gerne an die guten Regeln halten. Leute mit diversen Hautfarben zum Beispiel richtig benennen. Und ich informiere mich auch stets, was jetzt der richtige Begriff ist. Mit 4 Jahren hat mir meine Mutter, unter mehrfacher Verwendung des N-Wortes schon erklärt, dass man N-Wort nicht sagt zu Menschen mit zum Beispiel schwarzer Hautfarbe. Oder dunkler Hautfarbe. Oder „dunklerer als jetzt unsere Hautfarbe-Hautfarbe“. Da hätten die Wächter*innen der Sprache schon aufbegehrt. Sie hätten meine Mutter fertig gemacht, weil sie so dumm und unsensibel ist. Sie hätten meine Mutter mundtot gemacht, geshitstormt und gecancelt, dass meine Mutter am Ende heulend am Küchentisch gesessen hätte und nicht gewusst hätte wo oben und unten und was richtig und/oder falsch ist.
Und ich hätte nicht schon im Jahre 1971 erfahren, dass man nicht N-Wort sagt, zu den coolen Typen, die in offenen Jeeps durch unser Viertel gefahren sind und das Peace-Zeichen gemacht haben, zu uns Deutschen Kriegspisser*innen. Ich hätte „Räuber Hotzenplotz“ oder „Abschied vom Jazz“ nicht so lesen können, wie ich es damals (einige Jahre später) dann aber tat und auch heute tun würde. Vielleicht hätte ich erst 2010 darüber nachgedacht, dass ich das N-Wort nicht und auch nicht satirisch verwenden sollte. Das finde ich schade. Ich fand es schon auch gut, wenn man Leute satirisch darstellt, wie sie doof und arschlöchigerweise das N-Wort verwenden, weil, es ist doch vollkommen klar, dass man das nicht macht. Aber das soll man nicht. Aber das ist nun nicht zu ändern. Man muss sich ausrichten. Am Richtigen. Auch wenn die Lautsprecher des Richtigen mir fast alle komplett auf den Sack gehen. Die Art und Weise und dieses ewige mir um die Ohren klatschen, dass ich ein alter, weißer CIS-Mann bin und per se falsch und der Feind, und mich dann alleine lassen mit diesen Sachtatbeständen. Okay, ich soll die Fresse halten. So viel weiß ich. Ja, aber … ich will aber nicht die Fresse halten, zumindest ja nicht zu allem. Ich glaub, es hackt. Die Fresse halten! Was ist denn das für ein Aufruf?! Ich kenne ja die Gründe, warum es so weit gekommen ist und kann das auch zum größten Teil nachvollziehen. Ich kann ja nun nichts dafür, dass ich weiß bin und die entsprechenden Vorteile habe. Und es ist richtig, dass ich darüber informiert werden muss, dass das ein Privileg ist. Keine Frage. Ich bin aber auch froh, dass ich alt bin, weil, dann bin ich noch nicht gestorben. Das finde ich sehr, sehr, sehr gut. Und dann: Ich bin halt ein Mann, na und? Das habe ich zwar nie in Frage gestellt, finde aber auch das Prinzip „Männer“ als nicht wirklich ausgegoren und größtenteils unerträglich. Das, was man unter Männlichkeit und dessen handelsüblichen Gebaren versteht, ist mir schon seit jeher fremd. Keine Ahnung. Ich bestehe jedenfalls nicht darauf, Männlichkeit zu versprühen, kann aber auch von Glück reden, dass ich damit keine weiteren Probleme habe, denn immerhin und zumindest derzeit ist das ja ziemlich umständlich und problembehangen, das Geschlecht anzugleichen. Womöglich wird das eines Tages mal anders und einfacher sein.
Okay. Wenn ich zur Besserung der Gesamtsituation beitragen kann, dann bitte, gerne. Muss man mir nur erklären. Man muss mir immer alles erklären. Und dann vergesse ich ja auch manche Sachen und man muss mir das nochmal erklären. Das ist ärgerlich, aber ich bin quasi empfängnisbereit. Her mit den Informationen und wenn mir es manchmal zu verwirrend ist, ob ich nun PoC oder BIPoC oder BPoC sagen sollte, dann ist das so, das muss bittschön unter lernwillig verordnet werden. Gebt mich nicht auf. Ich kann es schaffen.
Ich vermute jedoch, dass niemand das hier liest, die oder der mir da irgendwas um die Ohren haut. Ich befinde mich ja in dieser Blase. Sei es die Sinus-Milieu-Blase (8%) oder die Huck-Haas-ich-weiß-Bescheid-und-wie-es-ist-Blase (meine Theorie: 5%), es ist nur ein kleiner Teil der Gesellschaft, dem man angehört und in dem man sich tummelt. Das hat seine Vorteile, bringt einen aber auch nicht weiter. Ich schau mich gerne um und ich lerne gerne. Ich finde es überhaupt nicht erschreckend, dass man das ganze Leben lernen kann. Ich feiere das Lernen voll ab. Count me in! Aber nicht ungeduldig sein, schließlich, ich erwähnte es bereits mehrfach, bin ich ein alter Mann. Sie müssen laut und deutlich mit mir reden und am besten in der einzigen Sprache, die ich richtig gut verstehe, also auf deutsch. Laut und deutschlich. Englisch geht zur Not auch, aber da brauch ich ein bisschen Zeit. Nicht zu schnell reden und auch nicht mit starkem Akzent und auch bitte nur Worte verwenden, die nicht ganz so kompliziert sind oder aus wissenschaftlichem Milieu stammen. Die Queen von England spricht zum Beispiel so, wie ich es gerne hätte und gut verstehe. Oder Barack Obama. Oder Steve Jobs. Oder Stephen Hawking.
Guten Tag.
Gabrielle