Drei Tage Twitter, Blogosphäre und beten mit der Netzgemeinde – #re:publica13. In der Station Berlin, im legendären Stadtteil Kreuzberg fand die Jahreshauptversammlung der Blogger, digital natives, web Guerilleros und SoM-Avantgarde unter dem Motto IN/SIDE/OUT statt. Für die meisten der 5.000 Teilnehmer fühlt es sich hier so an, als seien sie beim größten Klassentreffen der Welt, während ich bei meiner Erstbesteigung des twitter-Gipfels vor allem über eine Erkenntnis überrascht bin: „Die kenne sich ja wirklich alle!“. So familiär und undigital es hier zunächst auch zugeht, muss doch mehr dran sein, als nur mal den virtuellen Nachbarn von der facebook-Farm in echt erleben zu wollen. Denn neben den Speerspitzen der deutschen Netzbohême wie Anke Domscheidt-Berg, Guenter Dueck, Markus Beckedahl und dem unvermeidlichen Sascha Lobo, sind auch prominente Speaker aus der analogen Welt angereist. Z.B. Dieter Zetsche, Jutta Allmendinger (WZB) oder Andreas Schleicher (OECD). In Ihren Vorträgen und Panels geht es um Netzethik, Datensouveränität und Augmented Reality, Themen die sicherlich nicht mehr viel mit Befindlichkeitsbloggerei und Wohlfühltweeds zu tun haben, sondern Inhalte, die Entscheider in der Wirtschaft in den nächsten Jahren immer stärker und drängender begleiten werden. Das nächste große Diskussionsthema zeichnete sich auf der re:publica13 schon jetzt am Rande und außerhalb der offiziellen Panels und Veranstaltungen sichtbar ab: Google Glass! Macht man sich damit zur heimlichen Drohne für einen Internetgiganten, der seine Mitmenschen gewollt oder ungewollt ausspioniert – macht man sich zum „glasshole“? Ist es einfach nur der nächste logische Schritt, um die persönliche Daten- und Informationsverarbeitung, egal ob fun oder business, noch komfortabler und technologisierter zu gestalten. Oder ganz unaufgeregt betrachtet, ein total abgefahrener Gimmick fürs Gesicht, der in zwanzig Jahren genauso banal erscheint, wie uns heute der erste SONY Walkman, und die Diskussionen darüber, ob man strahlenkrank oder impotent wird, wenn man beim Joggen Musik aus dem Kopfhörer hört. Im nächsten Jahr treffen wir uns alle wieder, in Kreuzberg, in der Station am Gleisdreieck. Mal sehen wie viele glassholes dann dabei sind und ob ich nicht auch eines sein werde. Vielleicht hat die Netzdrosselung bis dahin aber auch das Web 2.0 erwürgt oder vielleicht haben twitter, flickr, facebook und Co. eine Revolution ausgelöst, die den Hunger in Afrika beendet . Vielleicht sind wir dann aber auch einfach nur doppelt so viele wie in diesem Jahr. Doppelt so viele, die ihre Chance wahrnehmen, an der digitalen Zukunft und einer fairen und sinnvollen Entwicklung der Gesellschaft im Internet teilzuhaben und andere zu ermutigen das Gleiche zu tun. (#)
(Autor: Gerrit Bruce Becht)