Huckleberry Finn inside – Tag 085

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huck flash

Sorry, dass ich einige Tage nichts geschrieben habe. Mir ist ganz viel eingefallen, aber ich hab’s nicht zu Papier/zu WordPress-Backend bringen können. Eben dachte ich, ich hätte eine Art Blutsack, da hinten kurz vor dem ehemaligen Weisheitszahn am Zahnfleisch hängen. Ich war ein bisschen aufgeregt. Es fühlte sich, wenn ich mit der Zunge daran rumgefummelt habe, gruselig an. Und das natürlich wieder an einem Samstag. Gerne genommen: Freitagabend. Oh Mann, dachte ich, was nun?!

Dann aber, HAHAAHAHAHAAHAHAAHA, war es nur ein Stück Kirsche, die ich kurz vorher aß. HAHAAHAHAHAA!!!! Oh Mann. Naja. Willkommen in meinem Leben, liebe Leser*innen.

Wir wohnen hier übrigens in einer Kirschenhochburg. Hier wachsen überall Kirschen. Und wenn sie reif sind, stehen an den Straßenrändern Menschen und bieten sie feil. Manche, nicht wenige, bieten da dann auch Kirschwein, Kirschsekt, Kirschmarmelade, Kirschschnaps und Kirschkirschen an. Es ist der Wahnsinn und zieht besonders ältere Porsche-Cabriolet-Fahrer an, die, wahrscheinlich mit ihrer Tochter oder der Enkeltochter, einen Ausflug machen und in herablassender Manier bei der Kirschenfachverkäuferin Kirschen ordern. Ein schönes Bild. Man entwickelt Glockentrittphantasien, die man aber nicht auslebt. Naja.

Ich wohnte mal woanders, wuchs auf in einem Nachbarvorort. Dort, im Norden von Schierstein, war ein Kaserne der US-Army. Dann und wann fuhren früher Lastwagen oder Jeeps mit Soldaten durch die Straße. Wir machten das Victory-/Peace-Zeichen, die Schwarzen erwiderten es. Das fanden wir ziemlich cool. Die Schwarzen unter den Soldaten waren einfach cooler. Sie machten was aus den Restmöglichkeiten, die ihnen die uniformierte Kleidung bot. Mal trugen sie ihre Helme schräg oder darunter ein Kopftuch, mal trugen sie ihre Waffen einfach einen Tick lässiger als die anderen. Wenn man mit dem Bus in die Stadt fuhr, stiegen sie oben am Camp Pierie hinzu. Die Schwarzen trugen oft coole Anzüge, weite Krägen, Discolook der 70er/80er-Jahre. Wir wollten auch so sein. Wir spielten Basketball unten im Kallebad und duellierten uns stolz mit „echten Negern“, die uns natürlich zunächst lässig nass machten und ohnehin erstmal auslachten, wenn die Orgelpfeifen mit ungelenken Bewegungsabläufen zum Spiel antraten. Allerdings gehörten Schwarze dazu. Die Söhne und Töchter der Soldaten hingen in ihren Army-Ghettos ab und manchmal, da traf man sie. Sie waren neugierig und wir erst. Amerika war das gelobte Land. Wenn man doch in den Siebzigerjahren in New York gewesen wäre oder in Los Angeles. Wenn wir doch einmal Kareem Abdul-Jabbar, Julius „Dr. J.“ Erving, Larry Bird, Magic Johnson oder Moses Malone live hätten spielen sehen. Das war ein paar Jahre bevor alle die Chicago Bulls mit Scottie Pippen und Michael Jordan gut fanden. Die meisten dieser Leute sind Schwarze. Ich dachte schon auch, dass Schwarze Rhythmus im Blut hätten und von Hause aus, also auch ohne härtestes Training und intensivste Bemühungen 20.000 Rebounds oder 38.387 Punkte machen und die 10.000 Meter im Stadion lässig runterlaufen würden, weil sie halt nun mal so gebaut sind. Ich dachte, es gäbe Rassen. Ich hatte zwar nie Ressentiments, dachte aber sie seien einfach anders. Ich glaube, das hat man so gelernt in der Schule. Die Leute waren rassistisch, ohne es zu wissen und ich auch. Ich würde das natürlich weit von mir weisen, aber so muss es gewesen sein. Nur allmählich drangen die anderen Denkweisen an uns ja irgendwie doch privilegierten Kids durch. Manche haben es bis heute nicht begriffen und auch ich bin noch lange nicht am Ende der Erkenntniskette. Ich bin dumm.

Lässiges Tool zum Stereotypisieren.

Update / Tage später

Ich lasse es lieber. So viel kann ich nicht schreiben, dass es verständlich wird. Die Kartoffel sitzt am Hebel. Und so schreibe ich weiter über die Corona-Situation, die uns immer noch im Griff hat. Wir gehören eventuell zu den letzten Irren, die denken, dass es Corona noch gibt. Tja. Was weiß ich. Es muss ja weitergehen. Packen wir also unser Gummiboot aus und fahren raus auf den Landwehrkanal oder setzen uns unten am Rhein in die Shisha Bars, mit 1,5 cm Abstand, laut palavernd. Aber mir gehen hier die Gedanken aus. Wahrscheinlich wegen den Dingen, die ich oben schrieb und über die wir hier tagelang diskutiert haben. Schon seit Jahren. Ich habe nichts zu sagen. Ich habe keine Meinung. Jedenfalls sowas in der Art. Don Rosa. Die Don Rosa-Bände sind gekommen. Früher habe ich Matthias Schultheiss gelesen, wegen der Bukowski-Comics, damals 1984 oder ´85. Das Leben musste raw sein und ins Auge gehen und dann, wenn man das alles so erlebt hat und knapp an der Gosse vorbeigeschrappt ist und irgendwie so da jetzt rein, in das aktuelle Leben, mit den Annehmlichkeiten und aber auch der Demut, die nimmer weggehen wird, da lese ich wieder die Enten und wie sie sich abmühen. Und diverse Dinge nehmen die Leichtigkeit raus und diverse Dinge sind divers und Diverses dividiert sich aus. Unterm Strich bleibt dieses Leben. Und fucking Selbstmitleid? Nichts da. Als ich neulich mit der Drohne so über die Gewächshäuser flog und hinten das Dorf sah und vorne die Weinberge, in den Flanken die Ausläufer des Waldes, als ich da schon Höhenangst hatte, da dachte ich aber, dass man das machen kann, so als Privatmensch, als Nulpe aus der Froschperspektive jeglichen Daseins, das ist schon alles sehr merkwürdig. Fliegen. Wenigstens mit der Kamera. Ich bin dann rein und habe mir einen RAL-Fächer bestellt. Wer weiß, wozu das mal gut ist. Und dann bin ich wieder raus und habe auf der Bank gesessen und die Ohren haben gequietscht, wie sie das immer machen, wie sie das auch machen, wenn alles gut ist und wie ich dann denke, wie ich jetzt alles schon ganz gut finde und wenn das Ohrenquietschen und die Krücken und die brennenden Hände und Füße nicht wären, wie kaum auszuhalten es dann manchmal wäre. Denke ich dann und dann setzt sich die liebe Frau, die auch gestreng sein kann, aber nicht jetzt, zu mir und wir legen uns die Arme auf die Schulter, wie so zwei Lausbuben und dann sind wir ganz, ganz nah an allem dran und alles ohne Szenen und der Suche nach irgendeiner Spannung. Einfach nur mal Atmen und in den Arm nehmen und einfach nur gar nichts hören, halt, außer dem Ohrenquietschen. Und irgendwann ist es mir auch egal. Das ganze Gedöns und die Schmerzen, das ist halt mein Leben und wenn es nicht so wäre, wäre ich vielleicht ein ganz anderer, sage ich zur lieben Frau, und das möchte ich gar nicht.

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