Das ist der 383. Tag im Home Office (forever). Ich (denke, ich) werde nie wieder in einem normalen Büro arbeiten (wollen). Zwischendurch werde ich gewiss ein wenig rammdösig, aber eigentlich geht’s gut. Wenn mir der Winter zu sehr auf die Nerven geht, nehme ich die Oculus und laufe zum Beispiel durch irische Dörfer oder über die Hardangervidda. Oder ich versuche mir ein Brillengestell auf dem 3D-Drucker auszudrucken („Haas, du musst noch viel lerne‘!“). Ich kann aber nicht richtig klagen. Und dann frage ich mich, warum eigentlich nicht? Warum klage ich eigentlich nicht? Weil ich hier am Rande des Waldes lebe und die Menschheit irgendwo da unten im Dorf? Weil ich so ein vergesslicher Hund bin, so dass ich jeden Morgen aufstehe und denke, ach, wird schon gehen, bis mir beim allmorgendlichen Gang ins Bad wieder auf- oder einfällt, dass ich ja gar nicht gehen kann und jeder Schritt weh tut? Vergesse ich einfach, zu klagen? Und wenn ich morgens ein wenig zaudere mit den Umständen, ja, dann trinke ich vier Expressos und dann fange ich einfach an. Ich fange jeden Morgen wieder an. Da habe ich auch in den schlimmsten Depressionsphasen gemacht. Einfach angefangen. Mit dem, was ich kann und mit dem, von dem ich weiß, was als nächstes zu tun ist. So kann ich auch die Pandemie bewältigen. Denke ich oft. Nicht immer. Aber immer noch. Ich höre mir an, was die Virologen und Karl Lauterbach sagen und dann mache ich das so. Es gibt da nichts zu diskutieren. Mit wem auch?! Aktuell warten wir auf die 3. Welle. Die liebe, liebe Frau sagte heute, „Weißt Du noch, Bergamo, vor einem Jahr. Wie das Militär da die Leichen aus der Stadt gefahren hat?“, „Ja!“, sage ich. Und dann machen wir das so, wie Drosten und Lauterbach das sagen. Jeden Tag. Seit einem Jahr. Und jetzt? Wem soll man das noch erzählen? Wer hört noch zu? Wer hat noch die Kraft dazu? Es ist nicht mehr vermittelbar. Vor einem Jahr, da sind wir einmal in der Woche zum Rewe nach Oestrich-Winkel gefahren und der Himmel war blau und rein und frei von Kondensstreifen und die Straßen waren leer und man dachte, das ist ja fast wunderbar, wenn nur das Virus nicht wäre. Wir machten das ganz gut. Die paar Idioten steckten wir weg. Die stecken wir weg.
ABER/UND/ALSO
Am 6. Januar wollte ich hier was schreiben, über meine Feelings ob des Sturms auf das Kapitol. Ich wollte enthusiastisch schreiben darüber, wie sie mir am 11. März AstraZeneca in den Arm gerammt haben. Ich wollte – Täterä – am 17. März 2021 über 1 Jahr Home Office schreiben. Doch es ist mir jeweils vergangen. Dieses schreiben, dieses gezielte Nachdenken über diese Dinge. Dieses Verwenden des Wortes „Wahnsinn“. Diese Bezeichnung der Menschen als „diese Irren“. Dieses immer noch eins mehr denken, fühlen und es dann sagen oder schreiben über das hier alles. Über Pandemie, über Trump, über Sauter, über das hier, über Leute, die sich „Fuck you Greta“ auf ihren RAM schreiben, über George Floyd. Mit Leidenschaft den 147 Leser*innen dieses Blogs hier schreiben, wie es der lieben Frau und mir geht. Aber mir fällt nichts mehr ein. Es ist immer derselbe Mist. Mir wird geradezu schlecht, wenn ich daran denke, dass ich hier was reinschreiben müsste. Wollte ich doch jeden Tag. Seit mit das Schreiben wieder leichter fiel, seit diesem 17. März 2020, dem Tag an dem, zumindest für uns, alles begann.
Doch ich kann und will nicht mehr darüber nachdenken und ich kann und will mir diese Leute mit ihren Meinungen nicht mehr ansehen und anhören. Ich will nicht in Kausalitäten denken. Nur noch 1 Tag nach vorne und dann mal sehen. In der Firma ist das anders, weil wir klaren Strukturen und meistens klaren Regeln folgen. Bei Jobs, bei denen das mal nicht so ist, weil sich das anders entwickelt hat, wir haben es meistens, aber nicht immer in der Hand, könnte man schon mal schreiend die Straße runterlaufen, aber dann denke ich mir: „Sind das wirklich richtige Probleme, die ich hier mit habe?“ „Nein, das sind keine richtigen Probleme.“ sage ich mir dann. Es läuft ja auch eigentlich gut. Wenn nur die Menschheit nicht wäre. Als vom Protestantismus, qua Erziehung Durchdrungener, dem Tugenden wie Fleiß, (Selbst-)Disziplin, Pflichtbewusstsein, Genügsamkeit (naja), Sparsamkeit (nun, äh …) vorgeflötet wurden und von einer nicht gerade Zuckerbäckerjugend Gezeichneten, kann ich nur sagen, dass mir all das, mal schwierige Jobs, eine Pandemie, Krückenlaufereien, etc. und selbst schwere Depressionen nicht den Boden unter den Füßen wegziehen. Immerhin wurde ich nach Junker Jörg, so nannte sich Martin Luther in seiner Wartburgzeit, benannt. „Immer weitergehn!“ haben die Straßenjungs gesungen – und das ist genau das Ding. Und dann ist da ja noch die liebe Frau und wenn wir uns nicht hätten, sagen wir uns oft, wie wäre das dann. Deshalb kann ich nicht jammern, aber ich kann auch keine eloquenten Texte hier reinzimmern. Da denke ich mir, wenn ich den letzten Rest an Kreativität jetzt hier aufbrauche, dann bleibt nichts mehr für den Job. Es ist also mal so und mal so. Aber nicht schwarz und nicht weiß und nicht 1 und nicht 0. Es ist dazwischen. 1.250 Shades of Grey und 10.000 bunte Farben. Und die Demut davor, dass es immerhin bis hier hin und auf diese Weise kam, das Leben. Ist schon alles auch gut. Und so hat mich doch nicht der Esel im Galopp verloren, was vieles, aber nicht alles erklärt hätte. All das.
Und so sitze hier und nehme den 7. Anlauf seit dem 25. Februar hier etwas hineinzuschreiben. Ich habe keine Meinung mehr. Sogar auf den Podcast hatte ich keine Lust mehr. Das aber auch vor allem nicht, weil ich einfach nicht das richtige Konzept habe, noch Partner, mit denen ich mich auf Augenhöhe hätte messen können. Es ist mir alles so furchtbar drüngselig. Ich bin oft verblüfft, wie die Menschen funktionieren und denken und ich könnte noch nicht mal sagen, dass ich es abwertend befinde, es ist nur oft so furchtbar gar nicht so, wie ich denke, dass es sein könnte. Es ist hingegen so ganz anders. Ja und dann. Was soll man schreiben? Was soll man denken? Was soll man auch immer sagen? Wenn ich zum Beispiel über die AstraZeneca-Sache nachdenke, da gibt’s Tausend Meinungen, zum Teil von höchster Stelle, wie es nun weitergeht, ob es nun weitergeht und ob wir nun doch alle sterben werden. Ich will aber nicht sterben und schon gar nicht am Gram des Unwissenden, Zweifelnden, Angstbeflissenen. Also wickle ich mit der Zeitung von morgen den dicken Fisch der Gegenwart ein und richte die Augen nach vorne. Also in diesem Falle auf den Ostersonntag. Fahren wir da zu Burger King oder kochen wir uns Grießbrei? Wenigstens muss ich nicht nochmal die Hobbit-Trilogie schauen. Und dann muss ich mich damit befassen, wie andere Menschen die sogenannte „Genration Z“ pauschalisieren. Oder eventuell gibt es da auch sinnvolle Gedanken zu. Es ist ja nicht alles schlecht. Noch nicht mal die Jugend.