Nur ganz kurz

huck notes

Liebe Netzgemeinde,

als ich gestern bei meinem ganz persönlichen King of Post Privacy Michael Seemann dies hier las, da dachte ich, ja so ist es und wollte ich es nicht die ganze Zeit schon mal aufschreiben und bin ich nicht eine furchtbar faule Sau, die vor lauter ins Internet starren zu nichts mehr kommt, außer vielleicht zum Arbeiten und Bratkartoffeln braten am Abend, wenn die Frau heim kommt? Ja, das bin ich.

JETZT
Oft begegne ich Menschen, die mich amüsiert, angewidert und neugierig zu gleichen Teilen fragen, was ich die „ganze Zeit“ „im Internet“ mache. Diese Leute wollen gar keine Antwort von mir, dafür erfahre ich im Gegenzug, dass sie für derlei Aktivitäten „gar keine“ Zeit hätten und zudem ein sogenanntes „Leben“. Ich habe es aufgegeben, diesen Leuten zu erklären, was ich im Internet mache und wozu das gut ist. Ich habe schon seit Ende 2009 niemanden davon überzeugen können, sich einen Twitter-Account zu zulegen, weil ich Twitter nicht mehr erklären kann. Ins Twitter kommst Du nicht mehr rein. Es sei denn, Du gestaltest Dein Pseudoleben als fickgeiler Clown und schmückst den Account mit ein paar halbgegarten Details aus Deinem nichtvorhanden Leben. Twitter ist Koellesterin und seine Konsorten und Anhänger. Es ist nicht mehr @kosmar, @nico@csommer, @pickiHH@ruhepuls oder der @trottelbot. Twitter ist Favstar und Humbug und wenn Du die Sprache des Humbugs, Mett, Bier, Cremant und die vielen Codes nicht kennst, dann kommst Du nicht mehr rein ins Reich. Ich kann z.B. kaum einem Kunden erklären, was er mit einem aktiven Twitter-Account machen sollte, außer im B2B-Bereich mit 200-300 Followern rumhängen um ab und zu Botschaften vom Rande der Netzidentität auszutauschen. Privat finde ich Twitter ganz knorkig und viele Menschen darin sind mir ans Herz gewachsen, manche kann man sogar mehr als 10x entfollowen, aber der Sinn… also der Sinn. hh hh h.

FACEBOOK
Facebook ist voll scheiße. Man kann niemanden googeln und die klauen unsere Daten. Habe ich im Fernsehen gelesen.

ALLES ANDERE
Man kann auch Youtube machen oder Instagram oder einfach das Essen auf Foodspotting bringen oder den Himmel oder seine Schuhe. In App.net kann man sich über App.net unterhalten, auf tumblr kann man tumblrn. Oder einfach immer nur Spiegel-Online lesen und Wikipedia und sich selbst googeln oder mal wieder bei Lycos reinschauen. Du kannst auch deinen Freunden LinkedIn erklären oder StumpleUpon oder Du lädst eine Million Bilder auf flickr.com und vergisst sie dort. Reddit war auch mal witzig und Digg (hahahah), ich bin nicht dick. Posterous, gibts das noch? Und was haben die Leute uns entfolgt, weil wir unsere blip.fm-Songs auf Twitter geteilt haben. Oder hier, häng deinen guten Geschmack an die
große Glocke und mach doch was auf delicious oder soup.io oder stell dein Leben live ins Netz auf Qik. Wir hatten ja nichts. Und dann hatten alle flavors.me und keiner hatte mehr eine Website und dann machen die Dienste alle zu und das ist dann irgendwie auch wieder blöd.

MATTHIAS BAUER
Wo geht die Reise hin? Der moeffju schrub neulich das hier. Ich dachte, als ich es geles… als ich die Buchstaben an meinem Auge vorüberziehen ließ, das würde ich auch gerne geschrieben haben. Es klingt so pfiffig. Es hört sich so an, als sei moeffju schon 1872 an Entwicklungen im Internet beteiligt gewesen. Das finde ich knorke. Dabei sein, Teil davon sein, Codes können, wer wünscht sich das nicht?! Auf dem CCC-Dings rumhängen und anderer Leuts Laptop hacken. Es ist aber gar nicht so einfach. Ich kann nur LOAD „$“,8. Immer sind die Menschen voraus, früher da, wissen mehr und verraten dabei nicht, wie es geht. Man muss alles selber googeln. Anstrengend!

ICH
Als ich am 26. August 2002 meinen
ersten Blogeintrag ins Internet schrieb, da wusste ich nicht, was Antville oder Blogger.com war oder was für eine Software man da nutzen muss. Ich knorzte mir mittels Dreamweaver eine html-Seite zusammen, die ich dann jeden Tag neu ins Netz stellte. Ich glaube, das war relativ umständlich und so SEO-technisch nur so eher semisinnvoll.
stijlroyal-blogroyal-lespionIch schoss Bilder mit einer l’espion, kopierte sie via USB auf meinen iMac und bastelte in Photoshop eine kleine Collage, die ich in meine blog.htm reinbastelte. Die neue Umständlichkeit war geboren. Blogroll? Nie gehört. Das Blog wurde auch nicht wahr genommen in der Blogosphäre. Die Gründe sind vielfältig und zahlreich. Ich benutzte keine richtige Bloggersoftware, ich sagte „der Blog“, ich schrieb selbstreferenziell bis zum Anschlag auf vier Kontinenten, kommentierte eher selten woanders und dann zog das Blog öfter mal um und alle Deep Links waren verloren. Sowas macht man ja auch nicht. Immerhin hatte ich schon mal von Felix Schwenzel gehört, der damals schon frapierende Dinge ins Internet schrieb und den ich mit Don Alphonso verwechselte, den ich später mit Don Dahlmann verwechselte. Also so optisch. Und Lu und den René und hier, den Dings aus Kiel und die Spreeblicks las ich dann ein paar Jahre später. Früher war schon toll. Aber wo steht der Bus mit den Leuten, die das interessiert?

ALSO
Alle Dinge gehen kaputt und kommen irgendwann aus der Mode. Dann gibt es neue Dinge. Früher sind wir auf allen Vieren durch den Busch gekrochen, heute gehen wir aufrecht und manchmal auch wieder nicht. Wir gehen, humpeln oder rollen aber trotzdem irgendwie voran. Was soll man auch machen? Wenn die Telekoms, von der Leyens, Burdas, die Chinesen, Google oder der Typ da drüben das Internet kaputt gemacht haben, dann bauen wir es an anderer Stelle wieder auf. Und diesmal noch schöner und irgendwie anders. Wo sollen wir denn auch hin??? Diese Angst, dass in der Zukunft alles anders wird und das dann aber unbedingt schlechter sein wird, die kann ich nicht teilen. Ich höre mir seit Jahrzehnten an, dass früher alles besser war und die Zukunft am Arsch ist. Das ist ein Teil meines Lebens. Ich besitze aber heute die besten Internet-Endgeräte, habe die schnellste Verbindung ins Netz, die besten Kollegen, die knorksten Kunden, ich bezahle die meisten Steuern >:- ( habe die schlauesten Freunde im Internet, der aktuelle Blogeintrag von Sascha Lobo ist immer der Richtigste. Mein letztes und einziges Buch ist das schönste. Die aktuelle Frau die liebste.
Das mutet vielleicht auf den ersten, zweiten und 299sten Blick naiv an, aber das ist es ja auch. Ja, warum denn auch nicht?!? Ja, nein, ich weiss doch. Technologische und soziologische Entwicklungen sind keine Naturgewalten, denen man schutz- und hilflos ausgeliefert ist, aber es ist einfach noch nicht die Zeit für was neues. Vielleicht muss das alte erst richtig kaputt gemacht werden und dann werden wir sicher nicht wieder in Erdlöcher zurück kriechen. Das wird schon. Habt keine Furcht. Wir können uns ja auf der nächsten re:publica alle mal drücken.

(Autor: Huck Haas)

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