Prince

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huck flash

Wie das ist, nämlich vor allen Dingen nicht glamourös und sexy, wenn ein fast 50-jähriger, dicker Mann im Fiat 500L durch die verregnete, auch nicht glamouröser und sexyer seiende Heimatstadt fährt und heult. So ist das. Dearly beloved, es ist ganz einfach so zu sein, wie man gerade geraten ist. Es ist nämlich nicht zu ändern. Und fragst Du Dich, wie Du aber sein müsstest, dann kann die Antwort ja auch nicht sein: eine einmeterachtundfünfzig kleine, schlanke Dame mit perfektem Bartwuchs und einem lila Turban auf dem Kopf. Vor allen dann nicht, wenn Du ein grobporiger, großer Mann bist, mit dem die Gravitation ohnehin schon Schindluder treibt. Versuch’s also gar nicht erst.

We’re all excited
But we don’t know why
Maybe it’s ‚cause
We’re all gonna die

Wie eine Jugend so im Rückblick war. Immer weiter wollen, die jeweilige Gegenwart immer so schnell wie möglich hinter sich lassen. Jugend heißt vor allen Dingen hoffen. Warten, hoffen und dann enttäuscht werden. Immer. Weil der Augenblick, in dem wirklich mal alles gut ist, diese Stunde, diese Minute, die kann ich dann nicht spüren, weil ich nicht weiß, dass ich jetzt spüren müsste. Es sagt einem ja auch keiner. Wahrscheinlich war es schon auch klar, dass Du eines Tages mal Geld verdienen musst und, dass Du nicht ewig mit der Bekannten im Schneeregen an der Raststätte in Seesen, auf dem Weg nach Westberlin, gerade eine neue Mitfahrgelegenheit suchend, feststellst, dass weder Du, noch die Bekannte, was ja klar war, Geld dabei haben, aber eigentlich, ja wie lange eigentlich, nach Berlin wolltest. Da weißt Du doch, dass das nicht ewig so weiter geht, aber das ist jetzt nicht wichtig. Sei still!!!

Dr. Everything’ll be alright
Will make everything go wrong
Pills and thrills and daffodils will kill
Hang tough children

Am Donnerstag, dem Donnerstag, dachte ich, wir müssen jetzt mal Prince hören. Dazu muss man aber Spotify verlassen und entweder die Schallplatten suchen, die jetzt im Büro stehen oder das unselige iTunes üsieren um sich zu amüsieren. Das Wort ‚üsieren‘ gibt es nicht. Aber jetzt. Und dann fuhr ich heim und höre Prince im Auto und dann steh ich an der Ampel, als Phil Demontreal in die Ponyhof-Whatsappgruppe schreibt: „Prince ist tot.“

Paint a perfect picture
Bring 2 life a vision in one’s mind
The beautiful ones
Always smash the picture
Always everytime

19:16 Uhr. Sag das nicht. Sag das nicht. Wieder so einer 2016. Wieder einer. Abhaken. Aber haben sie mir nicht gesagt, dass Prince niemals sterben würde. Das fällt Dir jetzt ein?!? Jetzt, wo es zu spät ist? Prince ist tot. Ich trau mich nicht. Da läuft „When Doves Cry“. Es gibt nur Zufälle. Nichts ist miteinander verbunden. Es besteht steter Zweifel. Nichts ist vorherbestimmt. Gott ist groß. Da weiß es schon Spiegel-Online. Ich fahre von der Schiersteiner auf die Autobahn. Da wo man 70 fahren darf, fährt der Fiat 110.

Wendy?
Yes Lisa
Is the water warm enough?
Yes Lisa
Shall we begin?
Yes Lisa

Ich vermisse Rainer, aber der ist schon weg. Wenn ich die Frau anrufe geht die Musik aus. Was soll ich tun? Ich rufe die Frau an. Wir streiten uns. „Prince ist tot.“ „Oh!“ Dann ist es wieder gut. Ich fahre an der Ausfahrt vorbei. Schüttelfrost. Kopfschmerzen. Bis zum nächsten Morgen.

Woke up the next morning
Nikki wasn’t there

Wenn man sich ganz arg konzentriert, passiert trotzdem nichts. Es gibt keine Veränderungen. Nur in Theorien können wir uns ergehen. Praktisch gibt es kein Vor und kein Zurück. Es gibt immer nur Jetzt. Immer nur dieses Dings vor den Augen, flimmernd, kalt, viel zu heiß, die Heizung im Auto, der Staub auf der Windschutzscheibe, die Weinberge, diese noch nicht einmal Minneapolishaftigkeit, diese immer gleichen, nicht fotografierbaren Sonnenuntergänge, die Arschlöcher, all das. Das ich nie mehr Bier trinken werde, weil es schon immer scheiße geschmeckt hat. Wie ich „es“ nie erklären konnte, wie sich „da“ nichts ändern wird, die nächsten absehbaren 100 Milliarden Jahre, wie ich auf keine Hochzeiten mehr gehen werden, weil sie alle scheitern, immer. Wie ich jemals wieder dieses Auto so herrichte, dass es aussieht wie neu. OB ICH BEHINDERT BIN?!?

How can you just leave me standing?
Alone in a world so cold?
Maybe I’m just too demanding
Maybe I’m just like my father too bold
Maybe you’re just like my mother
She’s never satisfied
Why do we scream at each other
This is what it sounds like
When doves cry

Es wäre ja nie ok. Viereinhalb Tage Prince in Dauerschleife. Es ist ja nur seit ein paar Tagen. Nichts Monströses. Nichts Gestörtes. Nur, halt so ist das dann halt jetzt. Es hat sich noch keiner beschwert. Wusste nicht, dass das so sein wird. Am letzten Mittwoch. Wusste ich das nicht.

Don’t cry
Darling don’t cry
Don’t cry
Don’t cry
Don’t don’t cry

Uh!

I’m not a woman
I’m not a man
I am something that you’ll never understand
I’ll never beat u
I’ll never lie
And if you’re evil I’ll forgive u by and by

Ich mag diesen Übergang von „When Doves Cry“ zu „I Would Die 4 U“. Das ist so ein bisschen wie dieses „Yeah!“ von Chris Montez in „Sunny“ bei Minute 1:02. Das sind so Momente. Das hat einem immer gefehlt, als man noch nichts gewusst hat. Wenn ich so da sitze, mit meinen Bildungsbürgerfreunden und aus dem Fenster gucke, wenn sie davon erzählen, wie sie mit 9 Jahren von Puccini verzaubert wurden und wie die Minister Ping, Pang und Pong beim Volk erschienen… da draußen fällt eine nasse Magnolienblüte auf eine noch nicht mal lila Taube, die flattert kurz auf. Sonst ist nichts. Sonst soll auch nichts sein. Es soll doch allen gut gehen. Wenigstens allen, denen es gut gehen kann. Wenigstens denen. Wir haben nichts dazu beigetragen hier zu sein. Wir könnten uns nur zerfleischen. Wir haben keine Berechtigung zu nichts und es trotzdem alles möglich, weil wir denken, fühlen und die Augen schließen können.

I never meant to cause you any sorrow
I never meant to cause you any pain
I only wanted one time to see you laughing
I only wanted to see you laughing in the purple rain

Manche Texte kann man fühlen, auch wenn man sie längst nicht versteht. Wo war er eigentlich all die Jahre, wenn man ihn mal brauchte? Es verregnet schon wieder das Gemüt. All das was ich jetzt heule, wird eines Tages mal Dir gehören. Es ist gut, dass Du schläfst. Es ist gut, dass Du da bist. Es ist gut, dass es nicht ewig dauert, dass Du schläfst. Dass nichts ewig dauert. Es ist gut so wie es ist. Es wird niemals besser. Weil es jetzt schon irgendwie ist.

Honey, I know, I know, I know times are changin‘
It’s time we all reach out for something new, that means you too
You say you want a leader, but you can’t seem to make up your mind
And I think you better close it and let me guide you to the purple rain

 

1 Kommentare

  1. „Wenn man sich ganz arg konzentriert, passiert trotzdem nichts“ – deep shit und leider wirklich wahr.

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