Von Säureminen, Schwefelfeldern und Fabriken, die heißer sind als 1000 Sonnen

Kommentare 1
huck notes

In mir ist immer, dass ich ich meine, dass nicht ich auch noch Senf auf die Wurst schmieren muss, weil, da ist ja schon kein Platz mehr auf der Wurst.

ABER

Wie ich seit Jahren im Strahl an die Wand kotze. Ich lebe in einem geradezu paradiesähnlichen Dingsbumms. Land. Wir haben Trinkwasser, manchmal sogar kostenlos, läuft es aus den Quellen und Hähnen. Zum Beispiel aus dem Grunzelsbörnchen. Und nachts sind die Straßen beleuchtet. Das muss man sich mal vorstellen. Und wir können uns Getränke kaufen in Flaschen, Dosen, Beuteln, die wir für quasi einen Knopf & Klicker beim Händler erwerben können. Es kostet fast nichts, seinen Durst zu stillen und es ist jederzeit möglich. Das ist ja aber schon alleine deswegen möglich, weil wir tollen Saftsäcke hier so formidable Maschinen bauen können und einfach weitestgehend von Naturkataströphlichkeiten verschont bleiben. Und kein Vulkan platzt und keine Erde bebt und keine Heuschrecke plagt uns. Und wenn die Sonne scheint, dann ziehen wir uns alle aus und laufen hinaus und erfreuen uns daran. Wenn nächste Woche das Marzipan und der Lebkuchen in den Läden steht, dann ist regen wir uns darüber total krass auf, weil, das ist ja wirklich unerträglich. Lebkuchen im August. Es rackern auf der ganzen Welt dafür Menschen, zum Teil bis zum Hals in der Scheiße steckend, in Säureminen, auf Schwefelfeldern, in Fabriken, die heißer sind als 1000 Sonnen und giftiger als Kai Diekmann. Damit wir unseren Lebkuchen nochmal extra in Staniolpapier eingewickelt bekommen, damit wir die Kapitalistenbrause in Weißblechdosen abgepackt überhaupt für 49 Pfenning bei der Frau Kreischer erwerben können. Damit geht es uns ganz gut. Zu viel Zucker ist übrigens ungesund. Überall auf der Erde sitzen Kinderlein in bruchigen Buden, liegen in schimmligen Bettchen und verzichten auf Liebkosungen ihrer Eltern, falls sie nicht selbst bis zum Hals in der Scheiße stecken, in Säureminen, auf Schwefelfeldern, in Fabriken arbeiten müssen, die heißer sind als 1000 Sonnen und giftiger als Kai Diekmann und werden nicht geliebt und nicht gelobst, weil, das Leben ist hart. Stell Dir das doch mal vor. Dein verrosteter Wecker bimmelt um 4:15 Uhr und Du läufst die 11 Kilometer runter in die Säureminen, wo Du dann, starr vor Dreck, zwei Schichten schiebst. Jeden Tag, auch sonntags. Ja, auch wenn der Tatort läuft und am Ende des Monats reichts grad mal für die Miete und zwei lumpige Schüsseln Dampf. Dafür brennt aber Deine Haut im Gesicht und die Finger sind taub, der Rücken knackt, die Füße sind Wund und die Seele hat sich schon längst am nächsten entlaubten Baum erhängt. Aber Du kannst Dich ja nachts zwei Stunden erholen, in Deinem Bett aus Müll. Und das machst Du alles nur, damit wir hier günstig unsere Schokokackhaufen in Alufolie einwickeln oder mit fettigen Fingern auf dem Telefondisplay herumtippen können, um zum Beispiel dämlichen Hass in die ach so soziale Medienlandschaft zu erbrechen.

Nochmal zum Mitschreiben: Da schuften sich also ein paar Milliarden Typen dumm & dämlich, damit Du Dir Dein beschissenes Telefon kaufen kannst um damit dann diese Leute anzupöpeln und zu deren Ermordung aufzurufen, weil sie irgendwann keinen Bock mehr haben, dies zu den allerletzten Bedingungen zu tun. Dann nennst Du die Wirtschaftsflüchltinge und kommst dir ganz wahnsinnig schlau vor. Wenn das diese Typen in den Säureminen wüssten, dann wär aber was los. Aber sie ahnen ja nicht, wie das hier ist. Sie wissen nichts von Hundefriseuren, Butterbergen, Überfluss und 80 Zoll Fernsehgeräten und Pizzalieferanten, vor sich hin tropfende Wasserhähnen und Freital und dieser ewigen Unzufriedenheit mit allem. Und nur ein ganz kleiner Teil, der kratzt irgendwann das letzte Moos zusammen, lässt sich von irgendwelchen Motherfuckern übers Ohr hauen, nur um sich irgendwann, nach dem nur noch die Hälfte der Familie überhaupt am Ufer des Mittelmeeres angekommen ist, auf einem Schüttelschiff wiederzufinden, wo die Lenzpumpe schon längst am Arsch die Räuber und auch sonst… ist. Und das machen die alles nur, weil sie denken, sie könnten hier irgendeine Scheiße arbeiten, ganz, ganz unten, noch nicht mal bei McDonalds, hahahaha, das wäre ja wie im Paradies, nein, ganz lame, ganz schön gelackmeiert, Jobs, die wir nie machen würden, auch nicht könnten, weil wir faule Weicheier sind, diese Jobs. Die streben diese Menschen an. Und sie denken nicht etwa: „Hach, wenn ich in der Bundesrepublik Deutschland, am besten in Bayern bin, dann melde ich mich erstmal arbeitslos und dann haue ich mal so richtig auf die Kacke. Dann kauf ich mir erstmal ein iPhone 6 und einen tiefergelegten BMW und nehme denen die Frauen weg und wenn ich lustig bin, die Männer obendrein.“ Das denken die nicht. Die wollen irgendwas arbeiten und die wollen, dass ihre Kinder irgendwann zur Schule gehen und ordentliche Schuhe tragen und vielleicht eines Tages eine schöne Wohnung haben und studieren, das wär toll. Die denken nicht, „Na, da stell ich mich doch einfach an die Straßenecke und biete meine Leib feil oder verkaufe ein bisschen Crystal Meth. Davon habe ich ja schon mein ganzes Leben geträumt.“ Die kommen, weil sie hier was verloren haben. Weil denen hier irgendwie was gehört. Weil wir auf deren Buckel uns den Wohlstand angehäuft und hinten wieder auf die Müllkippe geworfen haben. Ich vermute einfach mal, dass die am lautesten krakelen und am dümmsten schwadronieren, dass Flüchtlinge eine Bedrohung des Abendlandes sind, bisher noch nichts Wesentliches geleistet, gelernt oder geschaffen haben. Und zum Beispiel auch nichts vorzuweisen haben, was irgendjemand denen wegnehmen könnte, selbst wenn man wollte. Sie sind also nicht in Gefahr, jedenfalls nicht deswegen. Sie sind auch nicht gefragt. Diesmal nicht. Statt den ganzen Tag auf Dummbatzseiten im Internet zu verbringen, könnten sie ja zur Abwechslung und Erbauung mal das hier lesen.

Wir müssen hier noch nicht mal großzügig sein um die, analog zum Gesamtdrama, eher geringe Menge an Menschen aufzunehmen, die es bis hier über die Grenze überhaupt lebend geschafft haben. Wir müssen nichts aushalten. Auf so gut wie nichts verzichten. Es wird auch weiterhin Döner an jeder Straßenecke geben. Wir müssen einfach mal die Fresse halten und unsere Arbeit verichten. Es wird schon nicht so schlimm werden. „Es wird schon nicht so schlimm werden“ klingt jetzt nicht so überzeugend, was? Aber, und ich möchte jetzt nicht allzu euphorisch wirken, aber wäre es nicht großartig, wenn es nicht ganz so schlimm würde, wie es zu werden durchaus im Stande ist? Ich denke ja. Wünsch Dir doch das und den anderen da draußen.

1 Kommentare

  1. Pingback: Fußball-Weltmeisterschaft – 14. Juli 2018 – #FRACRO – Blogroyal

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert