Wenn ich Eurovisionen habe, gehe ich zu Dr. Peter Urban – Tag 061

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huck flash

Ja, es ist manchmal enttäuschend. Erstens, dass immer noch Corona-Time ist und dann auch noch das heutige Fußballspiel des Fußballvereins, den ich hart feiere und der sich Sportgemeinde Eintracht nennt. Und außerdem wurde der diesjährige Grand Prix Eurovision de la Chanson abgesagt. Eine Veranstaltung, die ich, seit ich denken kann, Jahr für Jahr ansehe und leider auch anhöre und deren Hauptbestandteil die grauenhafte Musik ist. Mal von „Halleluja“ von Milk & Honey abgesehen.

Das ist beim Fußball ähnlich. Also, nicht, dass ich da Milk & Honey am Besten finde, sondern, wie es da auch nicht nur um das eigentlich im Vordergrund stehende Fußballspiel und das Geschick der Protagonisten am Ball geht. Den Eurovision Songcontest schaue ich mir ja nicht seit ungefär 49 Jahren wegen der Lieder und wie „schön“ sie klingen oder wie könnerhaft sie vorgetragen werden. Beim Grand Prix geht’s doch darum, dass es jedesmal ein Phänomen ist, dass es das überhaupt gibt und so viele Menschen sich das anschauen. Von den Zuschauerzahlen kommt es gleich nach der Mondlandung, der Live-Übertragung eines Tina Turner Konzerts und einem Fußball-WM-Endspiel in, sagen wir mal, Qatar. Und Peter Urban bespricht die meisten Songs, scheinbar völlig ironiefrei, als könnte man sie tatsächlich ernst nehmen. Aber das kann man doch … ni … cht … o_O … oder?

Warum habe ich denn plötzlich Angst vor der Antwort?!

Lieder, die an die Nieren gehen.

Naja, auf jeden Fall ist doch die Punktezählerei am Ende das Wesenliche. Wie sich da Alle aufregen und Komplotte, Absprachen und Schmu vermuten, so auch ich. Diese ex-sowjetischen Länder, wie die sich gegenseitig unterstützen, obwohl die doch alle auf Russland sauer sein müssten, aufgrund jahrzehntelanger Unterjochung. Da stimmt doch was nicht. Und dass Deutschland dauernd keine Punkte bekommt, obwohl es doch im 1. und sogar im 2. Weltkrieg überall einmarschiert ist. Sieht so Dankbarkeit aus? Na, also, ich weiß ja nicht. Und all diese Dinge eben. Diese gruseligen Beiträge von Ländern, die Anfang der 2000er Jahre den Techno für sich entdeckt haben. Oder Lordi. Oder die dämlichen deutschen Beiträge. Oder Guildo Horn, der in Wirklichkeit … Achtung und jetzt kommt’s: Horst Köhler heißt. Läuft es Ihnen da nicht auch gerade eiskalt den Rücken runter? Dann war also ein Schlagersänger jahrelang Geschäftsführender Direktor des Internationalen Währungsfonds. Das ist ja allerhand. Das kann man manchmal kaum glauben, aber genau so war es und das macht doch den Eurovision Songcontest aus. Jedenfalls habe ich mich schon als Kind oft gewundert und unter Tränen meine Eltern gefragt, warum Deutschland so unbeliebt ist auf der Welt. „Das tut nichts zur Sache!“ antwortete mein Vater und „Lasse mal!“. Ich ging in mein TV-Gerät-freies Zimmer, trat auf einen herumliegenden Legostein, legte mich weinend ins Bett und fiel in einen unruhigen Schlaf.

Und dann träumte ich vom Fußball und wie meine Eintracht Weltmeister wird. Oder wie Deutschland tollen Kombinationsfußball abliefert. Die Realität jedoch war das Vokuhila-Jahrzehnt. Wenn man sich mal die WMs der Jahre 1982 und 1986 zurückerinnert, dann wird es hart. Da spielten im Finale 1982 folgende Herren: Toni Schumacher – Uli Stielike – Bernd Förster, Karlheinz Förster, Hans-Peter Briegel – Manfred Kaltz, Paul Breitner, Wolfgang Dremmler (62. Horst Hrubesch) – Karl-Heinz Rummenigge, (70. Hansi Müller), Klaus Fischer, Pierre Littbarski. Okay, da kann man nix sagen. Von den Namen her alles veritable Jungs (vor allen Dingen natürlich Hansi Müller), aber was die für einen Fußball gespielt haben. Gegen Italiener, die in der Vorrunde nicht ein Spiel gewonnen haben. Und dann war da im Halbfinale noch die Sache mit Patrick Battiston und Michael Schumacher. Das war doch einfach unmöglich, wie der den Battiston einfach umfuhr und dann einfach davonfuhr. Sowas macht man doch nicht.

Noch schlimmer wurde es 1986. Da traten diesmal Toni Schumacher – Ditmar Jakobs – Thomas Berthold, Karlheinz Förster, Hans-Peter Briegel – Andreas Brehme, Lothar Matthäus, Norbert Eder, Felix Magath (62. Dieter Hoeneß) – Karl-Heinz Rummenigge und Klaus Allofs (46. Rudi Völler) an. Dass diese beiden Mannschaft ins Finale gekommen sind, grenzt an an ein Wunder im Kleid einer Unverschämtheit. Aber so ist der Fußball. Da machst du ein Tor mit der Hand und halb Neapel liegt dir lebenslang zu Füßen. Oder Du rempelst einfach Leute an, die bewusstlos auf dem Rasen liegen bleiben, aber du bist und bleibst der Tünn und alle finden Dich gut. Es gewinnt einfach nicht immer der Bessere. Es gibt andere Kriterien. Es gibt Dusel, Zufall und es gibt die Formel des Philosophen und Mathematikers Gary Lineker: „Fußball ist ein einfaches Spiel: 22 Männer jagen 90 Minuten lang einem Ball nach, und am Ende gewinnen immer die Deutschen.“

Jaman, so sieht’s nämlich aus. Wir gewinnen einfach immer. Das ist unser Leben. Und wenn der Grand Prix Eurovision de la Chanson dies Jahr nicht ausgefallen wäre, dann hätten wir den auch gewonnen. Der junge Mann, der von einer geheimnisvollen Loge auserwählt wurde, und uns, die Gesamtdeutschen, in Hilversum vertreten hätte, der hat wirklich abgeliefert. Manchmal hat man ja so ein Gefühl bei einem Song, wie man das bei „Hey Jude“ von den Beatles, „Whole Lotta Love“ von Led Zeppelin, „Purple Rain“ von Prince oder „Atlantis Is Calling (S.O.S. for Love)“ von Modern Talking hat, nämlich Gänsehautfeeling pur. Der scheinbar 15-jährige Ben Dolic mit „Violent Thing“ hat das Zeug dazu. Ich krieg das Lied einfach nicht mehr aus dem Kopf und den Text erst:

Oh, don’t tell your mama
What you’re doing tonight
Twenty-four hours ago you got that look in your eyes
Don’t need your number
Cause I know you be there
Up in the light and the beat don’t lie, we’re crystal clear
Cause if I got you with me tonight

Da geht viel über Suggestion und Hoffnung und Crystal Meth, glaube ich, wenn ich das richtig übersetze. Da wäre ich wirklich gespannt, wie das Lied abgeschnitten hätte. Ich sehe blühende Landschaften. Endlich hätte man uns mal ernst genommen. Das hätten wir doch auch verdient. Oder? Nein? Na, dann halt nicht.

Aber wie’s auch kommt: Ich liebe Sie.

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